Opfer oder Täter ?

Wie diePresse am 8.Nov.2010 berichtete, ist in einer Novelle im Budget-Begleitgesetz vorgesehen, dass fahrlässige Körperverletzungen künftig straffrei sein sollen. Einsparungen und Vereinfachungen im Justizbereich sind wahrscheinlich die Gründe für diesen Schritt, der vor allem bei Verkehrsunfällen zur Anwendung kommen soll.

Stellungnahme von gott.cooperative :

Wir bedauern sowohl die damit einhergehende Signalwirkung, als auch das damit verbundene Eingeständnis des Staates mit der Rechtsprechung bei Alltäglichkeiten überfordert zu sein. Es scheint niemanden mehr zu bekümmern, dass gewachsene komplexe Strukturen der alltäglichen Rechtssprechung nicht mehr praxisnahe umgearbeitet und umgestaltet werden – und dadurch, eine ganze Gesellschaft einer schleichenden Verrohung und einer weiteren Abstumpfung des Zwischenmenschlichen zusteuert. Wie wir schon bei unserem Artikel „Islam und Hammurabi“ dargelegt haben, orientiert sich die europäische Rechtssprechung viel zu sehr am Täter und lässt das Opfer meist im Regen stehen. Diese, den Täter bevorzugende, Rechtssprechung wird nun durch eine neue Art von Tätern, die etwa durch einen betrunkenen Fußgänger unverschuldet Opfer eines Unglücks oder Schicksals werden, erweitert. Das kreiert weitgehend Täter, die sich selber nur allzu gerne als Opfer widriger Umstände sehen und daher nicht bereit sind, irgendwelche Schuld oder gar Verantwortung zu übernehmen. Der existierende Vertrauensgrundsatz wird aufgeweicht und in Vergessenheit gerät ein Ehrenkodex, bei dem nicht gefragt wird, wer schuldig oder unschuldig ist, sondern nur danach, ob der Stärkere dem Schwächeren hilft und beisteht. Wie unfruchtbar und wenig zielführend solche Verdrängungen der Opferrollen sind, zeigt sich nirgendwo besser als bei der Abtreibungsdebatte. Nur das ungeborene Leben als Opfer zu deklarieren und undifferenziert von der Frau als Täter auszugehen kann sich nur die Neuzeit leisten, wo sich der Sozialstaat ohnehin mit der allgemeinen Sozialversicherung jegliches Recht auf den menschlichen Körper gesichert hat. Die Gerechtigkeit wird den Frauen hier aber ebenso verwehrt, wie in früheren Zeiten oder heute noch in vielen Ländern, wo eine Frau mit offenen Haaren oder ohne Kopftuch als Verführerin oder gar als Hexe gebrandmarkt wurde oder wird und Männer sich gerne als willenlose verführte Opfer sehen. Die Diskussion darüber kann freilich nicht ein Richter führen, sondern kann nur eine allgemeine Bewusstseinsbildung sein, in der jeder sich seiner Verantwortung in der Gesellschaft und gegenüber seinem Nächsten stellt und auch schon mal mit Abstimmung des Anderen dessen Last mitträgt.

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Die größte Frucht der Gerechtigkeit
ist der Seelenfrieden.

Epikur (341 - 271 v. Chr.)